type | fiction |
booktitle | Simplicius Simplicissimus |
author | Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen |
year | 1975 |
publisher | Deutscher Taschenbuch Verlag |
address | München |
isbn | 3-538-05098-8 |
title | Simplicius Simplicissimus |
sender | gerd.bouillon@t-online.de |
firstpub | 1667 |
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Das 8. Kapitel
Julus nimmt seinen Abschied in England auf edelmännisch, Avarus aber wird zwischen Himmel und Erden arrestiert
Demnach machte sich Julus mit Avaro schleunig auf den Weg; nachdem er zuvor sein ander Gesind, als Lakaien, Pagen und dergleichen unnützer gefräßiger oder vertunlicher Leut mit guten Ehren abgeschafft. Wollte ich nun der Histori ein End sehen, so mußte ich wohl mit, aber wir reiseten mit gar ungleicher Kommodität; Julus ritt auf einem ansehenlichen Hengst, weil er nunmehr nichts Bessers als das Reiten gelernt hatte, und hinter ihm saß die Verschwendung, gleichsam als ob sie sein Hochzeiterin oder Liebste gewesen wäre; Avarus saß auf einem Minchen oder Wallachen, wie man sie nennet, und führte hinter sich den Geiz, das hatte eben ein Ansehen, als wenn ein Marktschreier oder Storger mit seinem Affen auf eine Kirchmeß geritten wäre; die Hoffart hingegen floh hoch in der Luft daher, eben als wenn sie die Reis nit sonderlich angangen hätte; die übrigen assistierenden Laster aber marschierten beneben her, wie die Beiläufer zu tun pflegen, ich aber hielt mich bald da, bald dort einem Pferd an den Schwanz, damit ich auch mit fortkommen und Engeland beschauen möchte, dieweil ich mir einbildete, ich hätte bereits viel Länder gesehen, wogegen mir dieses enge ein seltener Anblick sein würde; wir erlangten bald den Ort der Schifflände, allwo wir hiebevor auch ausgestiegen waren, und segelten in kurzer Zeit mit gutem Wind glücklich über.
Julus fand seine Frau Mutter zu seiner Ankunft auch in letzten Zügen, maßen sie noch gleich denselben Tag ihren Abscheid nahm, also daß er als eineinziger Erb, der nunmehr aus seinen vogtbaren Jahren getreten, einsmals Herr und Meister über seiner Eltern Verlassenschaft wurde; da ging nun das gute Leben wieder besser an als zu Paris, weil er ein namhafte Barschaft ererbt; er lebte wie der reich Mann Lucae am 16., ja wie ein Prinz, bald hatte er Gäst, und bald wurde er wieder zu Gast geladen; er führte fast täglich zu Wasser oder Land anderer Leut Töchter und Weiber nach engeländischem Gebrauch spazieren, hielt einen eignen Trompeter, Bereiter, Kammerdiener, Schalksnarren, Reitknecht, Kutscher, zween Lakaien, einen Pagen, Jäger, Koch und dergleichen Hofgesind; gegen solche (insonderheit aber gegen den Avarum, den er als seinen getreuen Reisgesellen zu seinem Hofmeistern und Faktor oder Faktotum gemacht hatte) erzeigte er sich gar mild, wie er denn auch gedachtem Avaro dasjenige adelige Gut, so er ihm zuvor in Frankreich verhypotheziert, für Hauptsumma, Interesse und seinen Lidlohn für frei ledig und eigen gab und verschreiben ließ, wiewohl es viel ein mehrers wert war; in Summa er verhielt sich gegen jedermann, daß ich nit allein glaubte, er müßte aus dem Geschlecht der alten Könige geboren worden sein, wie er sich dessen in Frankreich oft gerühmt, sondern ich hielt festiglich dafür, er wäre aus dem Stamm Arturi entsprossen, welcher das Lob seiner Freigebigkeit bis ans End der Welt behalten wird.
Andernteils unterließ Avarus nicht, in solchem Wasser zu fischen und seine Chance in acht zu nehmen, er bestahl seinen Herrn mehr als zuvor, und schacherte daneben ärger als ein fünfzigjähriger Jud. Das loseste Stücklein aber, das er dem Julo tat, war dieses, daß er sich mit einer Dam von ehrlichem Geschlecht verplemperte, folgends selbige seinem Herrn kupplete und demselben über dreiviertel Jahr den jungen Balg zuschreiben ließ, den er ihr doch selbst angehängt hatte; und weil sich Julus gar nit entschließen konnte, selbige zu ehelichen, gleichwohl aber ihrer Befreunden halber in Gefahr stehen mußte, trat der aufrichtige Avarus ins Mittel, ließ sich bereden diejenige wieder zu Ehren zu bringen, deren er ehender und mehr als Julus genossen und sie selbst zu Fall gebracht, wodurch er abermalen ein Namhafts von des Juli Gütern zu sich zwackte, und durch solche Treu seines Herrn Gunst verdoppelte; und dennoch unterließ er nit da und dort zu rupfen, solang Flaumfedern vorhanden, und als es auf die Stupflen losging, verschont' er deren auch nit.
Einsmals fuhr Julus auf der Thems in einem Lustschiff mit seinen nächsten Verwandten spazieren, unter welchen sich seines Vaters Bruder, ein sehr weiser und verständiger Herr, auch befand; dieser redete damal etwas vertraulicher mit ihm als sonsten, und führet' ihm mit höflichen Worten und glimpflicher Straf zu Gemüt, daß er keinen guten Haushalter abgeben werde, er sollte sich und das Seinig besser beobachten, als er bishero getan etc., wenn die Jugend wüßte, was das Alter braucht, so würde sie eine Dukat ehe hundertmal umkehren als einmal ausgeben etc. Julus lachte drüber, zog einen Ring vom Finger, warf ihn in die Thems und sagte: »Herr Vetter, so wenig als mir dieser Ring wieder zuhanden kommen mag, so wenig werde ich das Meinig vertun können«; aber der Alte seufzete und antwortet': »Gemach, gemach Herr Vetter, es läßt sich wohl eines Königs Gut vertun und ein Brunnen erschöpfen, sehet was Ihr tut!« Aber Julus kehrte sich von ihm, und haßte ihn solcher getreuen Vermahnung wegen mehr als er ihn darum sollte geliebt haben.
Ohnlängst hernach kamen etliche Kaufherren aus Frankreich, die wollten um das Hauptgut, so sie ihm zu Paris vorgesetzt, samt dem Interesse bezahlt sein, weil sie gewisse Zeitung hatten, wie Julus lebte, und daß ihm ein reich beladenes Schiff, so seine Eltern nach Alexandrien geschickt hatten, von den Seeräubern auf dem Mittelländischen Meer weggenommen worden wäre; er bezahlte sie mit lauter Kleinodien, welches ein gewisse Anzeigung war, daß es mit der Barschaft an die Neige ging; überdas kam die gewisse Nachricht ein, daß ihm ein ander Schiff am Gestad von Brasilien gescheitert und ein englische Flott, an der des Juli Eltern am allermeisten interessiert gewesen, unweit den molukkischen Inseln von den Holländern zum Teil ruiniert und der Rest gefangen worden wäre; solches alles wurde bald landkundig, dannenhero ein jeder, der etwas an Julum zu präsentieren hatte, sich um die Bezahlung anmeldete, also daß es das Ansehen hatte, als wenn ihn das Unglück von allen Enden der Welt her bestreiten wollte. Aber alle solche Stürm erschreckten ihn nicht so sehr als sein Koch, der ihm Wunders wegen einen güldenen Ring wies, den er in einem Fisch gefunden, weil er denselbigen gleich für den seinigen erkannte und sich noch nur zu wohl zu erinnern wußte, mit was für Worten er denselbigen in die Thems geworfen.
Er war zwar ganz betrübt und beinahe desperat, schämte sich aber doch vor den Leuten scheinen zu lassen, wie es ihm ums Herz war; indem vernimmt er, daß des enthaupten Königs ältester Prinz mit einer Armee in Schottland ankommen wäre, hätte auch glücklichen Sukzeß und gute Hoffnung, seines Herrn Vaters Königreich wiederum zu erobern! Solche Occasion gedachte sich Julus zunutz zu machen, und sein Reputation dadurch zu erhalten; derowegen montierte er sich und seine Leut mit demjenigen, so er noch übrig hatte, und brachte ein schöne Compagnia Reuter zusammen, über welche er Avarum zum Leutnant machte und ihm güldene Berge verhieß, daß er mitging, alles unterm Vorwand, dem Protektor zu dienen; aber als er sich reisfertig befand, ging er mit seiner Compagnia in schnellem Marsch dem jungen schottischen König entgegen und konjungierte sich mit dessen Corpo, hätte auch wohl gehandelt gehabt, wenn es dem König damals geglückt; als aber Cromwell dieselbe Kriegsmacht zerstöbert, entrannen Julus und Avarus kaum mit dem Leben, und durften sich doch beide nirgends mehr sehen lassen; derowegen mußten sie sich wie die wilden Tier in den Wäldern behelfen und sich mit Rauben und Stehlen ernähren, bis sie endlich darüber ertappt und gerichtet wurden; Julus zwar mit dem Beil und Avarus mit dem Strang, welchen er vorlängst verdient hatte.
Hierüber kam ich wieder zu mir selber, oder erwachte aufs wenigst aus dem Schlaf und gedachte meinem Traum oder Gesichte nach; hielt endlich dafür, daß die Freigebigkeit leichtlich zu einer Verschwendung, und die Gesparsamkeit leicht zum Geiz werden könne, wenn die Weisheit nit vorhanden, welche Freigebigkeit und Gesparsamkeit durch Mäßigkeit regiere und im Zaum halte. Ob aber der Geiz oder die Verschwendung den Preis davongetragen, kann ich nit sagen, glaube aber wohl, daß sie noch täglich miteinander zu Felde liegen und um den Vorzug streiten.