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type | tractate |
author | Niccolò Machiavelli |
title | Politische Betrachtungen über die alte und die italienische Geschichte |
publisher | Westdeutscher Verlag |
editor | Erwin Faul |
year | 1965 |
translator | Friedrich von Oppeln-Bronikowski |
corrector | reuters@abc.de |
sender | www.gaga.net |
created | 20121212 |
projectid | 6cca8d22 |
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Dreiundzwanzigstes Kapitel
Man darf nicht sein ganzes Glück in Gefahr bringen, ohne dabei die gesamten Streitkräfte einzusetzen. Deshalb ist die Besetzung der Pässe oft schädlich.
Es galt nie für weise, sein ganzes Glück in Gefahr zu bringen, ohne dabei alle Streitkräfte einzusetzen. Dies kann auf manche Art geschehen. Die eine ist die des Tullus und Mettius, die das ganze Schicksal ihres Vaterlandes und die Tapferkeit so vieler Männer, die sie in ihren Heeren hatten, der Tapferkeit und dem Glück dreier Bürger, also einem ganz kleinen Bruchteil der beiderseitigen Streitkräfte anvertrauten. Sie sahen nicht ein, daß sie damit fast die ganze Mühe ihrer Vorgänger vereitelten, dem Staat eine solche Verfassung zu geben, daß er sich lange frei erhalten und die Bürger seine Freiheit verteidigen konnten; denn es hing ja nur von ganz wenigen ab, diese Freiheit zu vernichten. Die beiden Könige konnten also nicht übler beraten sein.
In den gleichen Fehler verfällt man fast immer, wenn man beim Anrücken des Feindes den Plan faßt, die schwierigen Punkte zu halten und die Pässe zu besetzen. Dieser Entschluß ist fast immer von Nachteil, es sei denn, daß man an einem schwierigen Punkt seine ganze Streitkraft bequem aufstellen kann. Nur dann ist ein solcher Entschluß zu fassen. Ist aber die Gegend unwegsam, und kann man nicht seine ganze Streitkraft dort halten, so ist der Entschluß schädlich. Meine Meinung gründet sich darauf, daß Völker, deren Land von Alpenketten und Gebirgen umschlossen ist, beim Angriff mächtiger Feinde nie versucht haben, den Feind auf den Pässen und in den Bergen zu bekämpfen. Vielmehr traten sie ihm jenseits derselben entgegen, oder wenn sie das nicht wollten, erwarteten sie ihn diesseits der Berge in fruchtbaren, nicht bergigen Gegenden. Der Grund war der oben genannte. Denn zur Besetzung von Bergpässen kann man nicht viel Leute verwenden, teils weil sie nicht lange dort leben können, teils weil diese Engen nur wenig Menschen fassen. Man kann also einem zahlreich anrückenden Feinde keinen Widerstand leisten. Dem Feinde aber ist es ein leichtes, in großen Haufen zu kommen, denn er will ja hindurch und nicht stehenbleiben. Der Verteidiger aber kann ihn nicht mit starken Kräften erwarten, denn er weiß ja nicht, wann der Feind kommt, und kann sich, wie gesagt, nicht für längere Zeit in engen, unfruchtbaren Gegenden halten. Geht aber der Paß verloren, den man halten wollte und auf den das Volk und das Heer sich verließ, so bemächtigt sich beider meist ein solcher Schrecken, daß man besiegt wird, ohne die Tapferkeit des Heeres auf die Probe zu stellen, und so mit einem Teil seiner Streitkräfte alles verliert.
Jedermann weiß, mit welchen Schwierigkeiten Hannibal die Alpen überschritt, die Frankreich von der Lombardei trennen, und den Apennin, der die Lombardei von Toskana scheidet. Nichtsdestoweniger erwarteten ihn die Römer erst am Tessin und dann in der Ebene von Arezzo. Am Trasimenischen See südlich Arezzo, Vgl. Livius XXI f. Sie wollten sich lieber da einer Niederlage aussetzen, wo ein Sieg möglich war, als das Heer in die Alpen hinaufführen, wo es durch die Ungunst der Gegend vernichtet worden wäre. Bei aufmerksamem Lesen der Weltgeschichte wird man nur sehr wenige tüchtige Feldherren finden, die dergleichen Pässe zu halten versucht haben, teils aus den angeführten Gründen, teils weil sich nicht alle sperren lassen. Denn im Gebirge wie in der Ebene gibt es nicht nur die gewohnten und betretenen Straßen, sondern auch viele andre Wege, die zwar nicht den Fremden, aber den Einheimischen bekannt sind, und mit ihrer Hilfe kann man stets gegen den Willen des Verteidigers durchkommen. Dafür liefert das Jahr 1515 ein ganz frisches Beispiel.
Als König Franz I. von Frankreich einen Zug nach Italien plante, um die Lombardei zurückzuerobern, Die Könige Karl VIII. und Ludwig XII. hatten vergeblich versucht, sich in Italien zu behaupten. Franz I. gewann 1515 die Lombardei durch die Schlacht bei Marignano, verlor sie aber nach wechselvollen Kämpfen 1525 durch die Schlacht bei Pavia. verließen die Gegner seiner Unternehmung sich hauptsächlich darauf, daß die Schweizer ihn in den Alpen aufhalten würden. Der Ausgang zeigte indes, daß ihre Rechnung falsch war, denn der König umging ein paar der von ihnen besetzten Punkte, schlug einen unbekannten Weg ein und war in Italien und ihnen im Nacken, ehe sie es gemerkt hatten. Voller Schrecken zogen sie sich nun nach Mailand zurück, und die ganze Lombardei ergab sich den Franzosen, da ihre Hoffnung, sie würden im Gebirge festgehalten werden, zuschanden geworden war.