type | tractate |
author | Adolph von Gerhardt |
title | Handbuch der Homöopathie |
publisher | Verlag Dr. Willmar Schwabe |
printrun | Zwölfte, vollständig neu bearbeitete Auflage |
year | 1929 |
firstpub | 1869 |
corrector | Josef Muehlgassner |
sender | www.gaga.net |
created | 20141110 |
projectid | 9f902f02 |
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Blasenentzündung. Blasenkatarrh. Cystitis catarrhalis (Catarrhus vesicae)
Wir unterscheiden eine akute und eine chronische Form dieser Krankheit.
Der akute Blasenkatarrh entsteht entweder infolge von Erkältungen oder traumatischen Einwirkungen, Verletzungen, Verwundungen, oder durch die Harnblase reizende Substanzen, z. B. Canthariden, Copaivabalsam; durch Blasensteine u. dgl., oft auch durch den Genuß junger Biere oder saurer Weine. Auch entsteht Blasenkatarrh durch Ausbreiten der Entzündung benachbarter Teile.
Der akute Katarrh ist, je nachdem die Entzündung mehr oder weniger heftig ist, von Fieber und Verdauungsbeschwerden begleitet. Unterleib und Blasengegend sind schmerzhaft und sehr empfindlich gegen Druck; oft gesellen sich krampfhafte Schmerzen hinzu, die nach der Harnröhre, den Hoden und Nieren ausstrahlen. Der Urin wird oft und in geringen Mengen gelassen, ist feurig oder blutig und verursacht beim Harnlassen lebhafte Schmerzen. Nach 6 bis 14 Tagen geht die Krankheit, unter Nachlaß sämtlicher Erscheinungen und reichlichen Schweißen (wenn nicht durch völlige Harnverhaltung – bei an Blasenlähmung Leidenden – der Tod unter urämischen Erscheinungen erfolgt), in Genesung über, oder es entwickelt sich ein chronischer Katarrh.
Der chronische Katarrh zeigt, mit Ausnahme des Fiebers, dieselben Symptome wie der akute, nur sind die Schmerzen bedeutend geringer; doch ist ein stetes Drängen zum Urinlassen ein konstanter Begleiter des chronischen Katarrhs. Der Harn ist meist trübe, zuweilen molkig; bei längerem Stehen bildet er einen schleimigen Bodensatz. Er wird schnell infolge der Gärung, die der im Urin gesammelte Schleim erzeugt, scharf und ammoniakalisch riechend und reagiert entweder neutral oder alkalisch. Die Dauer dieses Leidens kann sich auf Monate, ja selbst auf Jahre erstrecken. Durch Erkältung, Diätfehler oder zu langes Zurückhalten des Urins treten oft akute Verschlimmerungen ein.
Treten die akuten Exacerbationen ohne Harnverhaltung auf, so verlaufen sie gewöhnlich in einigen Tagen, und es tritt dann der vorherige Zustand wieder ein. – Bei allzulanger Dauer des chronischen Blasenkatarrhs bilden sich häufig Geschwüre in der Blase, die man vermuten kann, wenn das Sediment eiterartig ist oder mitunter dann Blut mit dem Urin abgeht. Die Kranken magern mehr und mehr ab, es stellt sich hektisches, die Kräfte erschöpfendes Fieber ein. In anderen Fällen stellt sich, nach akuten Verschlimmerungen, Verjauchung und Zerfall der Blasenwände ein. – Bei langwierigen Blasenkatarrhen vermag der Kranke nicht die verdickte Blase vollständig zu entleeren. Oft müssen erst mehrere Liter Urin in der kugelförmig aufgetriebenen Blase vorhanden sein, bis der gewöhnliche Reiz zum Urinieren eintritt. – Bei gelähmtem Sphinkter fließt der Urin unwillkürlich ab. Es muß, zur Erleichterung der Lage des Kranken, ein Urinal von Gummi getragen werden, das den abfließenden Urin auffängt.
Zu Anfang der Krankheit, besonders nach Erkältung, bei heftigem Fieber mit starkem Durste, ist Aconitum in Wasserauflösung, wovon ½stündlich ein kleiner Schluck genommen werden muß, ein vielfach bewährtes Mittel. Bei heftigem Schneiden und häufigem Harndrang empfiehlt sich ganz besonders Colocynthis. Bei Blasenkrampf mit sehr schmerzhaftem Abgange tropfenweisen Urins ist Belladonna, und bei mit Blut gemischtem Harn ist Mercurius solubilis, in 1- bis 2stündlichen Gaben, ein vortreffliches Mittel; auch bei Blasenentzündung. (In letzterem Falle kann auch Cannabis von einigem Nutzen sein.)
Sind arge, brennende Schmerzen beim Abgange des tropfenweise gelassenen Harns vorhanden, sind ziehende und brennende Schmerzen, längs der Harnleiter bis zu den Nierenbecken, mit großer Empfindlichkeit der Unterbauchgegend vor Berührung und steter Harnzwang zugegen, dann ist Cantharis ungesäumt zu verabfolgen.
Außer diesen Mitteln verdienen noch besondere Berücksichtigung:
Arsenicum: Bei brennenden Schmerzen mit heftigem Harndrang, häufigem Erbrechen, großer Schwäche bis zur Ohnmacht, kalten Extremitäten, kleinem, fadenförmigem Pulse. Viel Durst und stete Trockenheit der Schleimhaut des Mundes. Dieses Mittel ist, ähnlich wie Cantharis, imstande, die vorhandenen Erscheinungen schnell zu beseitigen.
Camphora: Ist dann zu empfehlen, wenn nach Mißbrauch solcher Arzneien, die besonders reizend auf die Harnorgane einwirken ( Cantharidinum, Cubeba, Copaivabalsam, Terpentin usw.), die Entzündung entstand.
Cannabis: Langwierige Harnverhaltung mit heftigem, aber erfolglosem Drange zum Harnen oder schwieriges Harnen mit Abgang nur einiger Tropfen mitunter blutigen Harnes. Schneidende Schmerzen in den Nieren, wie entzündet. Brennende oder stechende Schmerzen beim Urinlassen.
Colocynthis: Ein wichtiges Mittel, das oft den Übergang des akuten Blasenkatarrhs in den chronischen verhindert. Der Harn geht trübe oder wie Bier gefärbt ab und setzt häufig einen zähen, fadenziehenden Schleim ab. Auch wenn heftige Schmerzen in der Nabelgegend vorhanden sind, die sich nach der Gegend der Ovarien hin erstrecken, oder wehenartige, ziehende Schmerzen von der Blase nach den Schenkeln mit öfterem Drange zum Urinieren und unter brennenden oder schneidenden Schmerzen abgehendem Harne.
Digitalis: Blasenkatarrh mit gesteigertem Reiz des Blasenhalses; häufiger Harndrang, auch nachts im Bette, mit tropfenweisem Abgange brennenden Harns; auch massenweise Harnentleerung, darnach Verminderung und Harnverhaltung. Urin mit Eiter- und Blutgehalt.
Dulcamara: Bei milchweißem, trübem oder schleimigem Harn und besonders, wenn ein schmerzhaftes Drängen mit tropfenweisem Abgange des Harns vorhanden.
Hyoscyamus: Dieses Mittel bewährte sich oft in den hartnäckigsten Fällen von Harnverhaltung, verbunden mit anhaltendem Harndrang – Erscheinungen, die oft plötzlich, nach Erkältung oder nach Druck und Stoß auf die Blasengegend, eintreten. – Tropfenweiser, unter den heftigsten Qualen abgehender, trüber Urin. Lähmungsartiger Zustand des Detrusor urinae. Die stark gefüllte, aufgetriebene Blase ist oft bis zur Nabelgegend fühlbar. Selbst dann noch hilfreich, wenn wegen zu starker Entzündung die Applikation des Katheters großer Schmerzen halber unmöglich ist.
Nux vomica: Akute Blasenkatarrhe infolge des Genusses junger Biere oder saurer Weine; hier ist auch Arsenicum oder Pulsatilla von vorzüglicher Wirkung. Außerdem paßt Nux vomica auch bei Trinkern und Hämorrhoidariern.
Blasenkatarrhe infolge von Blasensteinen oder Harngrieß erfordern den Gebrauch von Heilquellen (Biskirchener Karlssprudel), worüber das Nähere bei »Blutharnen« zu ersehen ist.
Verursacht zu scharfer, ammoniakalischer Urin den akuten Blasenkatarrh, dann nützen oft Acidum phosphoricum, Phosphorus (dieser auch beim sog. Milchharnen) oder Sulfur.
Ist zugleich Harnverhaltung vorhanden: Cantharis, Nux vomica, Sulfur. Bei akuten Blasenkatarrhen leisten oft warme Umschläge, auf den Unterleib und die Blasengegend appliziert, gute Dienste; desgleichen warme Bähungen. Man gieße heißes Wasser ins Nachtgeschirr, auf das sich der Kranke setzen muß.
Haben sich nach den angewandten Mitteln die Entzündungserscheinungen gebessert, dauern aber die schleimigen oder eiterartigen Absonderungen durch die Harnwege fort, so tritt die Behandlung des chronischen Blasenkatarrhs ein. Sowohl bei diesem lästigen und bei älteren Personen meist unheilbaren Leiden, das häufig, besonders bei Diätfehlern oder Erkältungen, akute Verschlimmerungen hervorruft, wie bei allen durch venerische Ursachen hervorgerufenen oder komplizierten Leiden hat unbedingt nur ärztliche Behandlung Platz zu greifen.