type | fiction |
booktitle | Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt |
author | Friedrich Maximilian Klinger |
year | 1986 |
publisher | Philipp Reclam jun. |
address | Stuttgart |
isbn | 3-15-003524-4 |
title | Faust's Leben, Taten und Höllenfahrt |
sender | gerd.bouillon@t-online.de |
firstpub | 1791 |
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5
Einige Wundärzte, Doktoren der Medizin, Philosophen und Naturkundiger hatten eine geheime Gesellschaft geschlossen, Untersuchungen über den Nervensaft, den Mechanismus des Körpers, und der Würkung der Seele auf die Materie anzustellen. Um ihrer Neugierde und ihrem Forschungsgeist Gnüge zu leisten, lockten sie unter allerlei Vorwand arme, unbedeutende Leute nach einem, von der Stadt abgelegnen, Hause, dessen obern Teil sie so eingerichtet hatten, daß man weder von außen noch von innen wahrnehmen konnte, was darinnen vorging. Hier banden sie diese Unglücklichen mit Stricken auf einen langen Tisch, legten ihnen ein Querholz in den Mund, lösten ihnen eine Haut nach der andern ab, entblößten ihre Muskeln, Nerven, ihr Herz, Gehirn, und zerlegten sie bei lebendigem Leibe, mit eben der Kälte und Aufmerksamkeit, als man einen unempfindlichen Leichnam anatomiert. Um recht hinter das, was sie suchten, zu kommen, nährten sie diese Elenden gewaltsam mit stärkenden Brühen, und ließen sie viele Tage lang unter Messerschnitten und langsamen Zerreißen der Bande des Lebens des peinlichsten Tods hinsterben. Der Teufel wußte, daß sie eben versammelt waren, und sagte zu Faust: »Du hast einen Wundarzt gesehen, der aus Menschenliebe oder Neigung für seine Wissenschaft den geräderten Mörder heilet; ich will dir nun Naturkündiger zeigen, die, um Geheimnisse zu erforschen, die ihr nie ergründen werdet, ihre Brüder lebendig schinden. Du scheinst zu zweifeln? Komm und überzeuge dich. Wir wollen zwei Doktoren vorstellen.«
Er führte ihn in das entlegne Haus, sie traten in das gewölbte Arbeitszimmer, das kein Tageslicht erleuchtete. Hier sahen sie die Naturkündiger einen dieser Unglücklichen, dessen Fleisch unter ihren Händen zitterte, und dessen aufgerißne Brust unter dem peinlichsten Schmerz sich hub, zerschneiden, und hörten sie über ihre Entdeckungen reden und streiten, als wenn sie eine Blume zergliederten. Sie waren mit ihrem Gegenstand so beschäftigt, daß sie den Teufel und Fausten nicht einmal wahrnahmen. Faust fühlte Zuckungen in all seinen Nerven, er stürzte hinaus, schlug sich vor die Stirne, und gebot dem Teufel, das Haus über die Köpfe dieser Ungeheuer zusammenzuwerfen, daß ihre Spur von der Erde vertilgt würde.
Teufel. Faust, warum rasest du? Fühlst du denn nicht, daß du eben auf die Weise in der moralischen Welt verfährst, wie diese in der physischen? Sie schneiden in das Fleisch der Lebenden, und du wütest durch meine zerstörende Hand in der ganzen Schöpfung –
Faust. Verworfner! denkst du, mein Herz sei schon Stein geworden? Gefällt dir das Metzeln dieser Unglücklichen? Auf! ich kann die Raserei, die in meiner Brust und in meinem Gehirne glüht, nur durch Rache kühlen. Mein ganzes Wesen löset sich vor der Vorstellung des Leidens dieser Unglücklichen auf. Die Qualen des ganzen Menschengeschlechts überfallen mich in diesem Augenblick. O ich fühle, daß es Unsinn ist, da ich ihre Tränen nicht trocknen, ihre Wunden nicht heilen kann; aber rächen will ich sie an diesen Ungeheuern. Auf, zerstöre, und schnell! daß nicht einer überbleibe! Eile, oder ich wüte meinen Zorn an dir aus.
Der Teufel, der ihm mit Vergnügen gehorchte, erschütterte den Grund des Gebäudes, es stürzte krachend zusammen, und zerschmetterte die Ungeheuer. Der empörte Faust eilte nach Paris zurück, ohne auf den Wink zu merken, den ihm der Teufel gegeben hatte.