type | fiction |
booktitle | Ein Kampf um Rom |
author | Felix Dahn |
publisher | Verlag Werner Dausien |
address | Hanau |
isbn | 3-7684-4210-1 |
title | Ein Kampf um Rom |
sender | gerd.bouillon@t-online.de |
firstpub | 1876 |
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Achtzehntes Kapitel
In schweren Gedanken schritt der Präfekt aus dem Zelt und ging, das Lager umwandelnd, nach der ziemlich entlegenen Verschanzung, wo er mit seinen Isauriern sich eingegraben hatte vor dem Tor des Honorius. Es war auf der Südseite der Stadt, nahe dem Hafenwall von Classis, und der Weg führte zum Teil am Meeresstrand entlang.
So sehr den einsamen Wanderer in diesem Augenblick der große Gedanke, der der Pulsschlag seines Lebens geworden war, beschäftigte, so schwer die Unberechenbarkeit Belisars, dieses gefühlsüberschwenglichen Gemütsmenschen, und die Spannung wegen der Antwort der Franken gerade jetzt auf ihm lastete, – doch ward seine Merksamkeit, wenn auch nur vorübergehend, auf das außergewöhnliche Aussehen der Landschaft, des Himmels, der See, der ganzen Natur abgezogen.
Es war Oktober: – aber die Jahreszeit schien seit langen Wochen ihr Gesetz geändert zu haben. Seit zwei Monden fast hatte es nicht geregnet: ja kein Gewölk, kein Streif von Nebel hatte sich in dieser sonst so dünstereichen Sumpflandschaft gezeigt. Jetzt plötzlich – es war gegen Sonnenuntergang – bemerkte Cethegus im Osten, über dem Meer, am fernsten Horizont, eine einzelne rundgeballte, rabenschwarze Wolke, die seit kurzem aufgestiegen sein mußte.
Die untertauchende Sonnenscheibe, obwohl frei von Nebeln, zeigte keine Strahlen. Kein Lufthauch kräuselte die bleierne Flut des Meeres.
Keine noch so leise Welle spülte an den Strand. In der weitgestreckten Ebene regte sich kein Blatt an den Olivenbäumen. Ja, nicht einmal das Schilf in den Sumpfgräben bebte.
Kein Laut eines Tieres, kein Vogelflug war vernehmbar: und ein fremdartiger, erstickender Qualm, wie Schwefel, schien drückend über Land und Meer zu liegen und hemmte das Atmen. Maultiere und Pferde schlugen unruhig gegen die Bretter der Planken, an welchen sie im Lager angebunden waren. Einige Kamele und Dromedare, die Belisar aus Afrika mitgebracht, wühlten den Kopf in den Sand. –
Schwer beklommen atmete der Wanderer mehrmals auf und blickte befremdet um sich. «Das ist schwül: wie vor dem ‹Wind des Todes› in den Wüsten Ägyptens», sagte er zu sich selber. – «Schwül überall – außen und innen. Auf wen wird sich der lang versparte Groll der Natur und Leidenschaft entladen?»
Damit trat er in sein Zelt. Syphax sprach zu ihm: «Herr, wär' ich daheim, ich glaubte heute, der Gifthauch des Wüstengottes sei im Anzug» und er reichte ihm einen Brief.
Es war die Antwort des Frankenkönigs! Hastig riß Cethegus das große, prunkende Siegel auf.
«Wer hat ihn gebracht?»
«Ein Gesandter, der, nachdem er den Präfekten nicht getroffen, sich zu Belisar hatte führen lassen. Er hatte den nächsten Weg – den durchs Lager – verlangt. Deshalb hatte ihn Cethegus verfehlt.»
Er las begierig: «Theudebald, König der Franken, Cethegus dem Präfekten Roms. Kluge Worte hast du uns geschrieben. Noch klügere nicht der Schrift vertraut, sondern uns durch unsern Majordomus kundgetan. Wir sind nicht übel geneigt, danach zu tun. Wir nehmen deinen Rat und die Geschenke, die ihn begleiten, an. Den Bund mit den Goten hat ihr Unglück gelöst. Dies, nicht unsere Wandelung, mögen sie verklagen.
Wen der Himmel verläßt, von dem sollen auch die Menschen lassen, wenn sie fromm und klug. Zwar haben sie uns den Sold für das Hilfsheer in mehreren Zentenaren Goldes vorausbezahlt. Allein das bildet in unsern Augen kein Hindernis.
Wir behalten diese Schätze als Pfand, bis sie uns die Städte in Südgallien abgetreten, welche in die von Gott und der Natur dem Reich der Franken vorgezeichnete Gebietsgrenze fallen. Da wir aber den Feldzug bereits vorbereitet und unser tapferes Heer, das schon den Kampf erwartet, nur mit gefährlichem Murren die Langeweile des Friedens tragen würde, sind wir gewillt, unsere siegreichen Scharen gleichwohl über die Alpen zu schicken. Nur anstatt für: gegen die Goten.
Aber freilich, auch nicht für den Kaiser Justinianus, der uns fortwährend den Königstitel vorenthält, sich auf seinen Münzen Herrn von Gallien nennt, uns keine Goldmünzen mit eigenem Brustbild prägen lassen will und uns noch andere höchst unerträgliche Kränkungen unserer Ehre angetan. Wir gedenken vielmehr, unsre eigne Macht nach Italien auszudehnen.
Da wir nun wohl wissen, daß des Kaisers ganze Stärke in diesem Lande auf seinem Feldherrn Belisar beruht, dieser aber eine große Zahl alter und neuer Beschwerden gegen seinen undankbaren Herrn zu führen hat – so werden wir diesem Helden antragen, sich zum Kaiser des Abendlandes aufzuwerfen, wobei wir ihm ein Heer von hunderttausend Franken-Helden zu Hilfe senden und uns dafür nur einen kleinen Teil Italiens von den Alpen bis Genua hin abtreten lassen werden.
Wir halten für unmöglich, daß ein Sterblicher dieses Anerbieten ablehne. Falls du zu diesem Plane mitwirken willst, verheißen wir dir eine Summe von zwölf Zentenaren Goldes und werden, gegen eine Rückzahlung von zwei Zentenaren, deinen Namen in die Liste unserer Tischgenossen aufnehmen. Der Gesandte, der dir diesen Brief gebracht, Herzog Liuthari, hat unsern Antrag Belisar mitzuteilen.»
Mit steigender Erregung hatte Cethegus zu Ende gelesen.
Jetzt fuhr er auf. «Ein solcher Antrag zu dieser Stunde: – in dieser Stimmung: er nimmt ihn an! Kaiser des Abendlandes mit hunderttausend Frankenkriegern! Er darf nicht leben.» –
Und er eilte an den Eingang seines Zeltes. Dort aber blieb er plötzlich stehen: «Tor, der ich war!» lächelte er kalt. «Heißblütig noch immer? Er ist ja Belisar und nicht Cethegus! Er nimmt nicht an. Das wäre, wie wenn der Mond sich gegen die Erde empören wollte, als ob der zahme Haushund plötzlich zum grimmigen Wolfe würde. Er nimmt nicht an! Aber nun laß sehen, wie wir die Niedertracht und Gier dieses Merowingen nutzen. Nein, Frankenkönig», und er lächelte bitter auf den zusammengeknitterten Brief, «solang Cethegus lebt, – nicht einen Fußbreit von Italiens Boden.»
Und einen raschen, heftigen Gang durchs Zelt. Einen zweiten langsamern. Und einen dritten –: nun blieb er stehen – und über die mächtige Stirn zuckt' es hin: «Ich hab' es!» frohlockte er. «Auf, Syphax», rief er, «geh und rufe mir Prokop.» –
Und bei einem neuen Durchschreiten des Gemachs fiel sein Blick auf den zur Erde gefallenen Brief des Merowingen. «Nein», lächelte er triumphierend, ihn aufhebend, «nein, Frankenkönig, nicht so viel Raum, als dieser Brief bedeckt, sollst du haben von Italiens heiliger Erde.»
Bald erschien Prokop. Die beiden Männer pflogen über Nacht ernste, schwere Beratung. Prokop erschrak vor den schwindelkühnen Plänen des Präfekten und weigerte sich lange, darauf einzugehen.
Aber mit überlegener Geistesmacht hatte ihn der gewaltige Mann umklammert und hielt ihn eisern fest mit zwingenden Gedanken, schlug jeden Einwand, noch eh' er ausgesprochen, mit siegender Überredung nieder und ließ nicht eher ab, seine unzerreißbaren und dichten Fäden um den Widerstrebenden zu ziehen, bis dem Eingesponnenen die Kraft des Widerstandes versagte. –
Die Sterne erblichen, und das erste Tagesgrauen erhellte den Osten mit blassem Streif, als Prokopius von dem Freunde Abschied nahm. «Cethegus», sagte er aufstehend, «ich bewundere dich.
Wär' ich nicht Belisars – ich möchte dein Geschichtsschreiber sein.»
«Interessanter wäre es», sagte der Präfekt ruhig, «aber schwerer.»
«Doch graut mir vor der ätzenden Schärfe deines Geistes. Sie ist ein Zeichen der Zeit, in der wir leben. Sie ist wie eine blendendfarbige Giftblume auf einem Sumpfe. Wenn ich denke, wie du den Gotenkönig durch sein eigen Weib zugrunde gerichtet... –»
«Ich mußte dir das jetzt sagen. Leider hab' ich in letzter Zeit wenig von meiner schönen Verbündeten gehört.»
«Deine Verbündete! Deine Mittel sind...» – «Immer zweckmäßig.»
«Aber nicht immer...! – Gleichviel, ich gehe mit dir: – noch eine Strecke Weges, weil ich meinen Helden aus Italien fort haben will, sobald als möglich. Er soll in Persien Lorbeeren sammeln, statt hier Dornen. Aber ich gehe nicht weiter mit dir als bis... –»
«Zu deinem Ziel, das versteht sich.»
«Genug. Ich spreche sofort mit Antoninen: ich zweifle nicht am Erfolg. Sie langweilt sich hier aufs tödlichste. Sie brennt vor Begierde, in Byzanz nicht nur so manchen Freund wiederzufinden, auch die Feinde ihres Gatten zu verderben.»
«Eine gute schlechte Frau.»
«Aber Witichis? Meinst du, er wird eine Empörung Belisars für möglich halten ?»
«König Witichis ist ein guter Soldat und schlechter Psychologe. Ich kenne einen viel schärferen Kopf, der's doch einen Augenblick für möglich hielt. Und du zeigst ihm ja alles schriftlich. Und jetzt gerade, da er von den Franken im Stich gelassen ist, geht ihm das Wasser an den Hals: – er greift nach jedem Strohhalm. Daran also zweifle ich nicht: – versichre dich nur Antoninens.» –
«Das laß meine Sorge sein. Bis Mittag hoff' ich als Gesandter in Ravenna einzuziehn.»
«Wohl: – dann vergiß mir nicht, die schöne Königin zu sprechen.»