type | fiction |
booktitle | Ein Kampf um Rom |
author | Felix Dahn |
publisher | Verlag Werner Dausien |
address | Hanau |
isbn | 3-7684-4210-1 |
title | Ein Kampf um Rom |
sender | gerd.bouillon@t-online.de |
firstpub | 1876 |
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Achtzehntes Kapitel
«Nun», lächelte der König, «diese Mühe hast du mir schon abgenommen, Herr Herzog von Apulien.» – «Und die junge Herzogin», schaltete Valeria ein, «hat sich gleich, als hätte sie's geahnt, bräutlich für diesen Tag geschmückt.»
«Für euer Brautfest», erwiderte die Hirtin. «Als ich vor den Toren der Romaburg erfuhr von dieser Feier, da öffnete ich, wie der Ahn befohlen, das Bündel und schmückte mich für euch.» –
«Unser Verlöbnis», sprach Adalgoth zu seiner Braut, «fiel auf den Verlobungstag des Königspaars – soll auch unser Hochzeitstag der des Königspaares sein?»
«Nein, nein», fiel Valeria hastig, fast ängstlich ein. «Nicht noch ein Gelübde, geknüpft an ein älteres, noch ungelöstes! Ihr Kinder des Glückes: seid weise. Heute habt ihr euch gefunden, haltet das Heute fest, das Morgen gehört den ungewissen Göttern.»
«Recht sprichst du», jubelte Adalgoth, «heute noch soll Hochzeit sein», und er hob Gotho hoch auf seinen linken Arm, sie allem Volke zeigend, «seht hier, ihr guten Goten, meine kleine Frau Herzogin.»
«Mit Vergunst», sprach da eine bescheidene Stimme, «wo so viel Glück und Sonnenschein auf die Gipfel und Höhen des Volkes fällt, da möchte sich auch niederes Gewächs dran laben.» Vor den König trat ein schlichter Mann, an der Hand ein hübsches Mädchen.
«Du bist es, wackrer Wachis», rief Graf Teja, zu ihm tretend, «und nicht mehr Knecht, im langen Haar der Freien?»
«Ja, Herr: König Witichis, mein armer Herr, hat mich freigelassen, als er mich mit Frau Rauthgundis und Wallada entließ. Seither ließ ich das Haar als Freier wachsen. Und Frau Rauthgundis wollte – ich weiß es ganz gewiß – ihre Magd Liuta hier auch freilassen: und wir sollten nach Volksrecht Ehe schließen als Freie: aber sie kam ja nicht mehr zurück in das Haus bei Fäsulä. Wohl aber ich aus unsrer Waldhütte: und gerade zur rechten Zeit noch flüchtete ich meine Liuta aus der Villa. Tags drauf kamen die Sarazenen Belisars und brannten und mordeten die Stätte aus. Nach Frau Rauthgundis erblosem Tode – denn ihrem Vater Athalwin hatte schon vor ihrem Untergang der Südsturm eine Lawine über Haus und Haupt geworfen – ist nun Liuta dem König als Eigentum zugefallen: und ich möchte daher den König bitten, daß er auch mich wieder zum unfreien Knecht aufnehme, auf daß wir nicht gestraft werden, wenn wir uns freien – und –»
Totila ließ ihn nicht aussprechen: «Wachis, du bist treu», rief er gerührt. «Nein, nach Volksrecht sollt ihr die Freien-Ehe schließen. Reicht mir ein Goldstück.»
«Hier, Herr König», rief eifrig Gotho, aus ihrer Hirtentasche eins hervorholend – «es ist mein letztes, von den sechsen.»
Der König nahm es lächelnd, legte es auf Liutas rechte, offne Handfläche und schlug es dann, von unten nach oben, aus ihrer Hand, daß es klingend auf das Mosaikgetäfel sprang und sprach:
«Frei und frank Laß ich dich, Liuta, Ledig und lastlos! Freie du fröhlich In Königsfrieden.» |
Da trat Graf Teja vor und sprach: «Wachis, du trugst schon einmal glücklosem Herrn den Schild. Willst du nun mein Schildträger werden?» Feuchten Auges ergriff der Treue des Grafen Rechte mit beiden Händen. Und nun erhob Teja den Goldpokal und sprach feierlich:
«Ihr glänzet im Glück: – Schön scheint euch der Schimmer Der seligen Sonne: Doch denket drum doch Treu traurig der Toten! Ohne Glanz, ohne Glück, Doch treu, tapfer und trefflich Rang ruhmvoll der Recke: Witichis, Waltharis wehrlicher Sohn Feiert ihr fest-froh, Lichte Lieblinge Gütiger Götter, Goldne Gelage, – Ehre doch immer Der Goten Geschlecht Der glücklosen Gatten Geweihtes Gedächtnis. Ich mahne euch, Minne Traurig zu trinken Des mutigen Mannes, Des wackersten Weibes: Witichis' und Rauthgundens Minne trink ich.» |
Und alle taten, schweigend, freiervoll und trauervoll, Bescheid.
Dann hob König Totila nochmal den Becher und sprach laut vor allem Volk: «Er hatte es verdient – ich habe es erreicht: ihm bleibt unvergessene Ehre!»
Als er sich niedergelassen – die beiden andern Paare wurden mit an des Königs Tisch gesetzt –, stieg Graf Thorismut von Thurii (seine treue Tapferkeit war durch die Grafenwürde belohnt, aber das Amt des Herolds und Waffenträgers ihm auf seinen Wunsch belassen worden) die Stufen herauf, neigte vor dem König seinen Heroldstab und sprach: «Fremde, fernher gesegelte Gäste meld' ich, König der Goten. Jene große Flotte, die, leicht hundert Segel stark, schon seit mehreren Tagen von deinen Seewarten und Hafentürmen gemeldet wurde, ist nun in Portus eingelaufen. Nordleute sind es: wogenkundig, kühnes Volk, aus fernstem Thule-Land. Hochbordig ragen ihre Drachenschiffe, und Schreck verbreiten deren ungetüme Bugsprietbilder. Aber zu dir kommen sie friedlich. Und das Königsschiff hatte gestern schon Boote ausgesetzt, und hohe Gäste segeln den Fluß herauf. Ich rief sie an und erhielt zur Antwort: ‹König Harald von Götaland und Haralda (seine Gattin, wie es scheint), die wollen König Totila begrüßen.›»
«Führ sie herauf. Herzog Guntharis, Herzog Adalgoth, Graf Teja, Graf Wisand, Graf Grippa, geht ihnen entgegen und geleitet sie.»
Und alsbald erschienen, unter den kriegerischen Tönen ihrer fremdartigen, gewundenen Muschelhörner, umgeben von zwanzig ihrer ganz in Stahlringen gepanzerten Helden und Segelbrüder, auf der Terrasse zwei hohe Gestalten, die selbst den schlanken Totila und seine Tafelgenossen überragten.
König Harald trug auf dem Helm die beiden fußlangen Schwingen des schwarzen Seeadlers: das Federkleid desselben Vogels bedeckte das eherne Helmdach. Vom Rücken floß ihm eines ungeheuren schwarzen Bären Fell, dessen Rachen und Vorderpranken vorn über den Brustharnisch von handbreiten Erzringen herabhingen. Ein eisendraht-geflochtener Wappenrock, der bis an die Knie reichte, wurde durch einen breiten, muschelbesetzten Gurt von Seehundfell um die Hüften gehalten, Arme und Beine waren nackt, doch von breiten Goldringen geschmückt zugleich und geschirmt. Ein kurzes Messer hing an stählerner Kette an seiner Seite: in der Rechten aber trug er einen langen, harpunengleichen Widerhakenspeer. Seine dicken, hellgelben Locken fluteten, mähnengleich, tief über seine Schultern.
Zu seiner Linken stand, nicht um eine Fingersbreite kleiner, die Walkürengestalt seiner Begleiterin. Das hellrote, metallisch schimmernde Haar floß, in langem, schlichtem Schweife, bis fast an ihre Knöchel, hervor unter dem goldnen, offnen Helme mit den kleinen Flügeln der Silbermöwe, über einen schmalen Streif von dem weißen Pelze des Eisbären, der, mehr als Schmuck denn als Mantel, ihren Rücken bedeckte. Ein ganz eng anschließender Panzer von kleingeschupptem Golde zeigte den unvergleichlichen Wuchs der Schildjungfrau, jeder Bewegung der atmenden Brust elastisch folgend. Ihr bis an die halbe Wade reichendes Untergewand war aus den weißen Haaren des Schneehasen kunstvoll gefertigt. Die Arme schmückten, halb sie verhallend, Ärmel aus aneinandergereihtem und durchbohrtem, goldgelbem Bernstein, der in der Abendglut der römischen Sonne funkelte. Auf ihrer linken Schulter aber saß gravitätisch der zierliche weiße Falke von Island. Ein kurzes Handbeil stak in ihrem Gurt: die Rechte trug die über die Schulter gelehnte, langgeschweifte Harfe mit dem Schwanenbug von Silber.
Gaffend folgten, nachdrängend, die Römer, die Augen weit aufreißend über solche Gestalten: aber auch die Goten bewunderten das so viel hellere Weiß dieser Arme, die eigenartig hellen, blitzenden Augen.
«Nachdem der schwarze Held, der mich empfing», sprach der Wiking, «sagt: er sei's nicht, kannst nur du der König sein», und er reichte Totila die Hand, erst den Kampfhandschuh aus Haifischhaut abstreifend.
«Willkommen am Tiberstrom, ihr Vettern aus Thuleland», rief Totila, zutrinkend.
Und auf rasch bereiteten Stühlen nahm das Fürstenpaar am Königstische Platz, ihre Gefolgen an den nächsten Tafeln: Adalgoth schenkte Wein aus hohen Henkelkrügen.
König Harald trank und schaute bewundernd umher.
«Bei Asathor», rief er dann, «hier ist es schön!» – «So denk' ich mir Walhalla!» sprach seine Begleiterin.
Kaum verstanden sich die Goten und die Nordleute untereinander.
«Gefällt es dir bei mir, Bruder», sprach Totila langsam, «dann weile lang unter uns mit deiner Gattin.»
«Hoho, Romkönig», lachte die Riesin und warf das Haupt zurück in den Nacken, daß die rote Haarwelle flutete – kreischend umflog sie dreimal der Falke: dann kehrte er ruhig auf ihre Schulter zurück: – «Noch ist kein Mann gekommen, der Haraldas Herz und Hand bezwungen: nur Harald, mein Bruder, biegt mir den Arm, überspringt meinen Sprung, überwirft meinen Speer.»
«Geduld, klein Schwesterlein, ich vertraue: bald meistert ein markiger Mann dir das trotzige Magdtum. Hier dieser König, blickt er auch mild wie Baldur, gleicht doch Sigurd, dem Fafnirschläger. Ihr solltet euch messen im Speerwurf.»
Haralda warf einen langen Blick auf den Gotenkönig, errötete und drückte einen Kuß auf ihres Falken glattes Köpfchen.
Totila aber sprach:
«Übles gedieh, nach der Sänger Bericht, aus Sigurds Wettkampf mit der Schildjungfrau. Begrüße vielmehr friedlich Weib das Weib: reiche die Hand, Haralda, meiner Braut.»
Und er winkte Valeria, der nur unvollständig Herzog Guntharis das Gesprochene in Latein vermittelte.
Valeria erhob sich in edler, anmutvollen Hoheit von ihrem Sitz, im weißen, langwallenden, römisch-griechischen Gewand mit goldnem Gürtel und einer Kamee als Schulterspange, nur einen Lorbeerzweig um die edlen Schläfen, den Totila aus Adalgoths Kranz genommen und durch ihr schwarzes Haar geschlungen: wie Musik umfloß sie die Schönheit, der Rhythmus ihres Faltenwurfs und ihrer Bewegungen: so reichte sie schweigend der nordischen Schwester die Hand.
Einen scharfen, nicht eben freundlichen Blick hatte diese auf die Römerin geschleudert: aber Bewunderung verdrängte zornige Überraschung von ihrem Antlitz, und sie sprach: «Bei Freias Halsgeschmeide, du bist das schönste Weib, das ich je gesehen. Ich zweifle, ob dir ein Wunschmädchen in Walhall gleichen mag. Weißt du, Harald, wem diese Fürstin gleicht? Vor zehn Nächten haben wir im blauen Griechenmeer auf einer Insel geheert und einen Säulentempel ausgeleert –. Da stand ein hohes Marmorweib aus weißem Stein, auf der Brust ein schlangenumlocktes Haupt, zu Füßen den Nachtvogel, in faltenreichem Gewand – – Sven hat sie leider zerschlagen, wegen der Edelsteine, die sie in den Augen trug –: dieser Marmor-Göttin gleicht die Königsbraut.»
«Das muß ich dir dolmetschen», lächelte Totila der Geliebten zu: «nicht dein poetischer Verehrer Piso hätte dir ausgesuchter schmeicheln können als diese Bellona des Nordens. – Sie haben – so ward uns gemeldet – auf Melos gelandet und dort die schöne Athena-Statue des Pheidias zerschlagen. Der bist du ähnlich, sagt sie! Ihr habt übel gehaust», fuhr Totila fort, «ich hörte es, auf allen Inseln zwischen Kos, Chios und Melos. Was führte euch dann so friedlich zu uns?»
«Das will ich dir sagen, Bruder. Aber erst nach einem neuen Trunk.» Und er hielt Adalgoth den tiefen Becher hin. «Nein! – nicht mit Wasser verderben den herrlichen Saft! Wasser muß salzig sein – damit man's gar nicht trinken kann – außer man ist ein Hai oder Walroß. Wasser ist gut, daß es uns trage auf seinem Rücken, nicht, daß wir es tragen in unsrem Bauche. Und es ist ein wunderbarer Trank, dieses euer Reben-Bier. Unsern Met habe ich mir immer bald satt getrunken: – der ist wie fade, süße Speise. Aber dieser Reben-Met: – je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man. Und trank man zuviel – was kaum denkbar –, ist's nicht wie beim Ael- oder Metrausch, daß man Asathor bitten möchte, einem um den Schädel mit seinem Hammer einen Eisenring zu schmieden – nein, der Rebenrausch ist wie süßer Wahnsinn der Skalden: den seligen Göttern dünkt man sich gleich. Nun also so viel vom Weinrausch.
Wie wir aber hierher gekommen sind, das will ich dir erzählen.»