type | fiction |
booktitle | Simplicius Simplicissimus |
author | Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen |
year | 1975 |
publisher | Deutscher Taschenbuch Verlag |
address | München |
isbn | 3-538-05098-8 |
title | Simplicius Simplicissimus |
sender | gerd.bouillon@t-online.de |
firstpub | 1667 |
Navigation:
- Kapitel 149
- Kapitel 1
- Kapitel 2
- Kapitel 3
- Kapitel 4
- Kapitel 5
- Kapitel 6
- Kapitel 7
- Kapitel 8
- Kapitel 9
- Kapitel 10
- Kapitel 11
- Kapitel 12
- Kapitel 13
- Kapitel 14
- Kapitel 15
- Kapitel 16
- Kapitel 17
- Kapitel 18
- Kapitel 19
- Kapitel 20
- Kapitel 21
- Kapitel 22
- Kapitel 23
- Kapitel 24
- Kapitel 25
- Kapitel 26
- Kapitel 27
- Kapitel 28
- Kapitel 29
- Kapitel 30
- Kapitel 31
- Kapitel 32
- Kapitel 33
- Kapitel 34
- Kapitel 35
- Kapitel 36
- Kapitel 37
- Kapitel 38
- Kapitel 39
- Kapitel 40
- Kapitel 41
- Kapitel 42
- Kapitel 43
- Kapitel 44
- Kapitel 45
- Kapitel 46
- Kapitel 47
- Kapitel 48
- Kapitel 49
- Kapitel 50
- Kapitel 51
- Kapitel 52
- Kapitel 53
- Kapitel 54
- Kapitel 55
- Kapitel 56
- Kapitel 57
- Kapitel 58
- Kapitel 59
- Kapitel 60
- Kapitel 61
- Kapitel 62
- Kapitel 63
- Kapitel 64
- Kapitel 65
- Kapitel 66
- Kapitel 67
- Kapitel 68
- Kapitel 69
- Kapitel 70
- Kapitel 71
- Kapitel 72
- Kapitel 73
- Kapitel 74
- Kapitel 75
- Kapitel 76
- Kapitel 77
- Kapitel 78
- Kapitel 79
- Kapitel 80
- Kapitel 81
- Kapitel 82
- Kapitel 83
- Kapitel 84
- Kapitel 85
- Kapitel 86
- Kapitel 87
- Kapitel 88
- Kapitel 89
- Kapitel 90
- Kapitel 91
- Kapitel 92
- Kapitel 93
- Kapitel 94
- Kapitel 95
- Kapitel 96
- Kapitel 97
- Kapitel 98
- Kapitel 99
- Kapitel 100
- Kapitel 101
- Kapitel 102
- Kapitel 103
- Kapitel 104
- Kapitel 105
- Kapitel 106
- Kapitel 107
- Kapitel 108
- Kapitel 109
- Kapitel 110
- Kapitel 111
- Kapitel 112
- Kapitel 113
- Kapitel 114
- Kapitel 115
- Kapitel 116
- Kapitel 117
- Kapitel 118
- Kapitel 119
- Kapitel 120
- Kapitel 121
- Kapitel 122
- Kapitel 123
- Kapitel 124
- Kapitel 125
- Kapitel 126
- Kapitel 127
- Kapitel 128
- Kapitel 129
- Kapitel 130
- Kapitel 131
- Kapitel 132
- Kapitel 133
- Kapitel 134
- Kapitel 135
- Kapitel 136
- Kapitel 137
- Kapitel 138
- Kapitel 139
- Kapitel 140
- Kapitel 141
- Kapitel 142
- Kapitel 143
- Kapitel 144
- Kapitel 145
- Kapitel 146
- Kapitel 147
- Kapitel 148
- Kapitel 149
- Kapitel 150
- Kapitel 151
- Kapitel 152
- Kapitel 153
- Kapitel 154
- Kapitel 155
- Kapitel 156
- Kapitel 157
- Kapitel 158
- Kapitel 159
- Kapitel 160
- Kapitel 161
- Kapitel 162
- Kapitel 163
- Kapitel 164
- Kapitel 165
- Kapitel 166
- Kapitel 167
- Kapitel 168
Das 9. Kapitel
Baldanders kommt zu Simplicissimo, und lehret ihn mit Mobilien und Immobilien reden und selbige verstehen
Ich spazierte einsmals im Wald herum meinen eitelen Gedanken Gehör zu geben, da fand ich ein steinern Bildnis liegen in Lebensgröße, das hatte das Ansehen als wenn es irgends eine Statua eines alten teutschen Helden gewesen wär, denn sie hatte ein altfränkische Tracht von romanischer Soldatenkleidung, vornen mit einem großen Schwabenlatz, und war meinem Bedünken nach überaus künstlich und natürlich ausgehauen. Wie ich nun so da stund, das Bild betrachtete und mich verwundert', wie es doch in diese Wildnis kommen sein möchte, kam mir in Sinn, es müßte irgends auf diesem Gebirg vor langen Jahren ein heidnischer Tempel gestanden und dieses der Abgott darinnen gewesen sein; sah mich derowegen um, ob ich nichts mehr von dessen Fundament sehen konnte, wurde aber nichts dergleichen gewahr, sondern, dieweil ich einen Hebel fand, den etwa ein Holzhaur liegen lassen, nahm ich denselben und stund an dies Bildnis es umzukehren, um zu sehen wie es auf der andern Seiten eine Beschaffenheit hätte; ich hatte aber demselben den Hebel kaum unterm Hals gesteckt und zu lupfen angefangen, da fing es selbst an sich zu regen und zu sagen: »Lasse mich mit Frieden, ich bin Baldanders.« Ich erschrak zwar heftig, doch erholte ich mich gleich wiederum, und sagte: »Ich sehe wohl, daß du bald anders bist; denn erst warest du ein toter Stein, jetzt aber bist du ein beweglicher Leib, wer bist du aber sonst, der Teufel oder sein Mutter?« »Nein«, antwortet' er, »ich bin deren keins, sondern Baldanders, maßen du mich selbst so genannt und dafür erkannt hast; und könnte es auch wohl möglich sein, daß du mich nicht kennen solltest, da ich doch alle Zeit und Tage deines Lebens bin bei dir gewesen? daß ich aber niemal mit dir mündlich geredt hab, wie etwa Anno 1534 den letzten Julii mit Hans Sachsen dem Schuster von Nürnberg, ist die Ursach, daß du meiner niemalen geachtet hast; unangesehen ich dich mehr als ander Leut bald groß bald klein, bald reich bald arm, bald hoch bald nieder, bald lustig bald traurig, bald bös bald gut und in Summa bald so und bald anders gemacht hab.« Ich sagte: »Wenn du sonst nichts kannst als dies, so wärest du wohl für diesmal auch von mir blieben.« Baldanders antwortet': »Gleichwie mein Ursprung aus dem Paradeis ist und mein Tun und Wesen bestehet so lang die Welt bleibt, also werde ich dich auch nimmermehr gar verlassen, bis du wieder zur Erden wirst davon du herkommen, es sei dir gleich lieb oder leid.« Ich fragte ihn, ob er den Menschen denn zu sonst nichts tauge, als sie und alle ihre Händel so mannigfaltig zu verändern? »O ja«, antwortet' Baldanders, »ich kann sie eine Kunst lehren, dadurch sie mit allen Sachen, so sonst von Natur stumm sind, als mit Stühlen und Bänken, Kesseln und Hafen etc. reden können, maßen ich solches Hans Sachsen auch unterwiesen, wie denn in seinem Buch zu sehen, darin er ein paar Gespräch erzählet, die er mit einem Dukaten und einer Roßhaut gehalten.« »Ach«, sagte ich, »lieber Baldanders, wenn du mich diese Kunst mit Gottes Hilf auch lehren könntest, so wollte ich dich mein Lebtag lieb haben.« »Ja freilich«, antwortet' er, »das will ich gern tun«; nahm darauf mein Buch, so ich eben bei mir hatte, und nachdem er sich in einen Schreiber verwandelt, schrieb er mir nachfolgende Wort darein:
»Ich bin der Anfang und das End, und gelte an allen Orten.
Manoba, gilos, timad, isaser, sale, lacob, salet, enni nacob idil dadele neuaw ide eges Eli neme meodj eledid emonatan desi negogag editor goga naneg eriden, hohe ritatan auilac, hohe ilamen eriden diledi sisac usur sodaled auar, amu salif ononor macheli retoran; Ulidon dad amv ossosson, Gedal amu bede neuaw, alijs, dilede ronodaw agnoh regnoh eni tatä hyn lamini celotah, isis tolostabas oronatah assis tobulu, Wiera saladid egrivi nanon ägar rimini sisac, heliosole Ramelv ononor windelishi timinituz, bagoge gagoe hananor elimitat.«
Als er dies geschrieben, wurde er zu einem großen Eichbaum, bald darauf zu einer Sau, geschwind zu einer Bratwurst und unversehens zu einem großen Baurendreck (mit Gunst), er machte sich zu einem schönen Kleewasen, und ehe ich mich versah, zu einem Kuhfladen; item zu einer schönen Blum oder Zweig, zu einem Maulbeerbaum und darauf in einen schönen seidenen Teppich etc. bis er sich endlich wieder in menschliche Gestalten verändert' und dieselben öfter verwechselt', als solche gedachter Hans Sachs von ihm beschrieben; und weil ich von so unterschiedlichen schnellen Verwandlungen weder im Ovidio noch sonsten nirgends gelesen (denn den mehrgedachten Hans Sachsen hatte ich damals noch nit gesehen), gedachte ich der alte Proteus sei wieder von den Toten auferstanden, mich mit seiner Gaukelei zu äffen; oder es sei vielleicht der Teufel selbst, mich als einen Einsiedler zu versuchen und zu betrügen; nachdem ich aber von ihm verstanden, daß er mit bessern Ehren den Mond in seinem Wappen führe als der türkisch Kaiser, item daß die Unbeständigkeit sein Aufenthalt, die Beständigkeit aber seine ärgste Feindin sei, um welche er sich gleichwohl keine Schnall schere, weil er mehrenteils sie flüchtig mache, verändert' er sich in einen Vogel, floh schnell davon und ließ mir das Nachsehen.
Darauf setzte ich mich nieder in das Gras, und fing an diejenigen Wort zu betrachten, die mir Baldanders hinterlassen hatte, die Kunst so ich von ihm zu lernen daraus zu begreifen; ich hatte aber nit das Herz selbige auszusprechen, weil sie mir vorkamen wie diejenigen, damit die Teufelsbanner die höllischen Geister beschwören und andere Zauberei treiben, maßen sie denn auch ebenso seltsam, unteutsch und unverständlich scheinen; ich sagte zu mir selber: »Wirst du sie anfangen zu reden, wer weiß was du dir alsdann für Hexengespenst damit herbeilockest; vielleicht ist dieser Baldanders der Satan gewesen, der dich hierdurch verführen will; weißt du nit wie es den alten Einsiedlern ergangen?« Aber gleichwohl unterließ mein Vorwitz nicht, die geschriebenen Wort stetig anzuschauen und zu betrachten, weil ich gern mit stummen Dingen hätte reden können, sintemalen auch andere die unvernünftigen Tier verstanden haben sollen; wurde demnach je länger je verpichter darauf, und weil ich ohne Ruhm zu melden ein ziemlicher Zifferant bin und meine geringste Kunst ist, einen Brief auf einen Faden oder wohl gar auf ein Haar zu schreiben, den wohl kein Mensch wird aussinnen oder erraten können, zumalen auch vorlängsten wohl andere verborgene Schriften ausspekuliert, als die Steganographia Trithemii sein mag; also sah ich auch diese Schrift mit andern Augen an und fand gleich, daß Baldanders mir die Kunst nit allein mit Exempeln, sondern auch in obiger Schrift mit guten teutschen Worten viel aufrichtiger kommuniziert, als ich ihm zugetraut; damit war ich nun wohl zufrieden und achtet meiner neuen Wissenschaft nit sonderlich, sondern ging zu meiner Wohnung und las die Legenden der alten Heiligen, nit allein durch gute Beispiel mich in meinem abgesonderten Leben geistlich zu erbauen, sondern auch die Zeit zu passieren.