type | poem |
author | R. Dehmel |
title | Das Erwachen |
booktitle | Erlösungen |
publisher | S. Fischer |
year | 1920 |
sender | hille@abc.de |
firstpub | 1891 |
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- Kapitel 143
- Fernhin
- Hausspruch
- Nachruf an Nietzsche
- Einspruch
- Entbietung
- Spruch in die Ehe
- Lebenswerk
- An die Ersehnte
- Sühne
- Weihspruch
- Herrliches Pärchen
- Allgegenwart
- Die geflügelte Fackel
- Waldseligkeit
- Dante Guidante
- Das Opfer
- Eine gantz neu Schelmweys
- Überraschung
- Rückkehr
- An mein Volk
- Gesetz
- Quintessenz
- Wehrspruch
- Die Buße
- Die Heimkehr
- Den Anbetern Rembrandts
- Ein bengalisches Licht
- Jetzt und immer
- In summa
- Die Getrennten
- Morgenandacht
- Inhalt der Kunst
- Pro Domo
- Deutsches Tun
- Frühlingsgebet
- Sieg
- Weib und Welt
- Zuspruch
- Nur ein Hund
- Menschenrecht
- Wechselwirkung
- Ein Brandbrief
- Die zwölf sittsamen Gastwirte
- Einem Kathederhelden
- Gebet an die Geliebte
- Nachtrab
- Freispruch
- Wendekreislauf
- Ansturm
- Der Herr der Liebe
- Die Umworbene
- Warnungstafel
- An eine Gütige
- Wahlspruch
- Nächtliche Frage
- Welt und Zeit
- An meine Königin
- Einkehr
- Die Vollendung
- Der Bräutigam
- Maxime
- Ihr Wunsch
- Der brave Strubel
- Sprüche der Liebe
- Entweihung
- Notabene
- Vorgefühl
- Empfang
- Genesen
- Indianischer Wiegengesang
- Heidnischer Glaube
- Ausgleichungen
- Der Wunschgeist
- Das Spiel der Welt
- Frühlingsglück
- Der Tiefsinn
- Verheißung
- Guter Rat
- Stoßgebete
- Den Querköpfen
- Sprüche zur Kunst
- Die Illusion
- Den Schreihälsen
- Wahrspruch
- Fürsprüche
- Anders
- Das alte Lied
- Christliche Frage
- Tief von fern
- Machtspruch
- Zweierlei Treiben
- Kunstgenuß
- Das erlösende Wort
- Vor Sonnenaufgang
- Nachtgebet der Braut
- Mädchenfrühling
- Unterschied
- Die Hauptperson
- Novemberfahrt
- Sprachgeheimnis
- Blick ins Licht
- Durch die Blume
- Ehre
- Heimat
- Einem und jedem Schöpfer
- Ein Artifex
- Nicht doch
- Bekenntnis
- Deine Nähe
- Scheinkunst
- Traurige Wahrheit
- Ballnacht
- Zuflucht
- Zwecksprüche
- Ungleiche Geschwister
- Ermutigungen
- Läuterung
- Pfingstlied
- Der Pirat
- Epitaph
- Glockenklänge an Bismarck
- Wiegenlied für meinen Jungen
- Sprüche vom Glück
- Kunst und Leben
- Leises Lied
- Sommerabend
- Geständnis
- Radlers Seligkeit
- Der Rächer
- Gleichnis
- Wollust
- Werksprüche
- Fachmenschen
- Landung
- Am Krankenbett
- Lied der Mutter
- Eröffnung
- Tiefe Gefahr
- Lobgesang
- Die Rose
- Schicksalsworte
- Erste Hoffnung
- Das Erwachen
- Den Herren Kritikern
- Das Eine
- Trauschwur
- Seitenhiebe
- In Sehnsucht
- Sprüche der Zeit
- Adlerschrei
- Fatalitäten
- Denkzettel für den verehrten Leser
- Im Fluge
- Selbstzucht
- Krämerseelen
- Ein Liebenswürdiger
- Wen's trifft
- Kumpaney
- Heldentümliches
- Im Regen
- Lied Kaspar Hausers
- Erleuchtung
- Erlösungen
Das Erwachen
Richard Dehmel
Stille füllt die flimmernde Rotunde;
aus den Marmorsäulen
blickt die Mittagsglut.
Götterbilder leuchten,
und ein Mädchen ruht
auf den Stufen mit verträumtem Munde.
Dunkel schmachten ihre Kinderaugen;
eine rote Rose
hebt sie, und entzückt
und die heißen Lippen
tief hineingedrückt
will sie Duft und will sie Kühlung saugen.
Doch da glänzt die Halle, wo ihr gestern
Daidalos, der junge
Gastfreund, bot die Hand.
Und sie sieht ihn wieder,
wie er vor ihr stand,
ihr die Blume gab und nicht den Schwestern.
Sieht und fühlt: er hat mich angesehen,
nicht die großen Schwestern,
und er war so still!
Ach, ich bin wohl kindisch,
weiß nicht, was ich will;
wie ich glühe! ich will baden gehen.
Und sie rafft sich von der warmen Schwelle;
aus dem Schooß der Rose
lockert sich ein Blatt.
Und sie nimmt und küßt es,
immt es mit zum Bad;
noch in Träumen öffnet sie die Zelle.
Öffnet und erbangt und steht in Staunen:
vor ihr liegt der Gastfreund,
schlafend, ohne Kleid.
Immer banger steht sie,
scheu zum Gehn bereit;
selig hört sie seinen Atem raunen.
Selig staunt sie seine nackten Glieder,
staunt sein ruhetrunknes
leises Lächeln an;
will davon und weiß nicht,
was sie hält in Bann,
immer trunkner staunt sie auf ihn nieder.
Da erschrickt sie: purpurn welch ein Wallen,
das ihr jäh vom Herzen
in die Schläfen bäumt!
Und auf einmal weiß sie,
was sie will und träumt,
und die Rose läßt sie zitternd fallen
und entflieht, als könnt er sie erreichen
Da erwacht der Schläfer,
sieht die Rose, sieht,
wo er ist – und jauchzend
stürzt er auf und kniet:
Klytia war hier! o Götterzeichen!