type | fiction |
author | Alexander Dumas |
title | Lady Hamilton |
publisher | Verlag von Th. Knaur Nachf. |
translator | A. Kretzschmar |
corrector | reuters@abc.de |
sender | www.gaga.net |
projectid | 86d9df46 |
created | 20061105 |
Navigation:
- Kapitel 99
- Kapitel 1
- Kapitel 2
- Kapitel 3
- Kapitel 4
- Kapitel 5
- Kapitel 6
- Kapitel 7
- Kapitel 8
- Kapitel 9
- Kapitel 10
- Kapitel 11
- Kapitel 12
- Kapitel 13
- Kapitel 14
- Kapitel 15
- Kapitel 16
- Kapitel 17
- Kapitel 18
- Kapitel 19
- Kapitel 20
- Kapitel 21
- Kapitel 22
- Kapitel 23
- Kapitel 24
- Kapitel 25
- Kapitel 26
- Kapitel 27
- Kapitel 28
- Kapitel 29
- Kapitel 30
- Kapitel 31
- Kapitel 32
- Kapitel 33
- Kapitel 34
- Kapitel 35
- Kapitel 36
- Kapitel 37
- Kapitel 38
- Kapitel 39
- Kapitel 40
- Kapitel 41
- Kapitel 42
- Kapitel 43
- Kapitel 44
- Kapitel 45
- Kapitel 46
- Kapitel 47
- Kapitel 48
- Kapitel 49
- Kapitel 50
- Kapitel 51
- Kapitel 52
- Kapitel 53
- Kapitel 54
- Kapitel 55
- Kapitel 56
- Kapitel 57
- Kapitel 58
- Kapitel 59
- Kapitel 60
- Kapitel 61
- Kapitel 62
- Kapitel 63
- Kapitel 64
- Kapitel 65
- Kapitel 66
- Kapitel 67
- Kapitel 68
- Kapitel 69
- Kapitel 70
- Kapitel 71
- Kapitel 72
- Kapitel 73
- Kapitel 74
- Kapitel 75
- Kapitel 76
- Kapitel 77
- Kapitel 78
- Kapitel 79
- Kapitel 80
- Kapitel 81
- Kapitel 82
- Kapitel 83
- Kapitel 84
- Kapitel 85
- Kapitel 86
- Kapitel 87
- Kapitel 88
- Kapitel 89
- Kapitel 90
- Kapitel 91
- Kapitel 92
- Kapitel 93
- Kapitel 94
- Kapitel 95
- Kapitel 96
- Kapitel 97
- Kapitel 98
- Kapitel 99
- Kapitel 100
97. Kapital.
Versuchen wir ans Ende zu gelangen. Jedesmal, wenn ein französisches Schiff die Flagge strich, erhob die Mannschaft des »Victory« ein lautes Hurra und bei jedem dieser Hurras fragte Nelson, seine Wunde vergessend, begierig: »Was gibt es?« Man unterrichtete ihn dann von der Ursache des Rufes und der Verwundete gab darüber die größte Freude zu erkennen. Er litt brennenden Durst, verlangte oft zu trinken und bat, daß man ihm mit einem Fächer von Papier Kühlung zufächele. Da er den Kapitän Hardy zärtlich liebte, so hörte er nicht auf, Befürchtungen für das Leben dieses Offiziers kund zu geben. Der Kaplan und der Arzt beruhigten ihn über diesen Punkt, oder suchten ihn vielmehr zu beruhigen. Sie schickten dem Kapitän Hardy Botschaft über Botschaft, um ihm zu sagen, daß der Admiral ihn zu sehen wünsche, und der Verwundete, der ihn gleichwohl nicht kommen sah, rief in seiner Ungeduld: »Sie wollen Hardy nicht kommen lassen. Gewiß ist er tot!« Endlich, eine Stunde zehn Minuten, nachdem Nelson verwundet worden, kam der Kapitän Hardy in das Zwischendeck hinunter. Als der Admiral ihn erblickte, stieß er einen Freudenruf aus, drückte ihm liebreich die Hand und sagte: »Nun, Hardy, wie geht der Kampf? Wie stehen die Aussichten für uns?« – »Gut, sehr gut, Mylord,« antwortete der Kapitän, »wir haben schon zwölf Schiffe genommen.« – »Ich hoffe doch, daß keins von den unsrigen die Flagge gestrichen hat?« – »Nein, Mylord, keins.« – Nun in dieser Hinsicht beruhigt, kam Nelson wieder auf sich selbst zurück und sagte seufzend: »Ich bin ein Kind des Todes, Hardy, und es geht rasch mit mir zu Ende. Bald wird alles aus sein. Treten Sie näher, mein Freund.« Dann hob er im leisem Tone wieder an: »Ich bitte Sie um eins, Hardy. Wenn ich tot bin, so schneiden Sie mir das Haar für meine teure Lady Hamilton ab und geben Sie ihr alles, was mir gehört haben wird –« »Ich habe soeben mit dem Arzte gesprochen,« unterbrach Hardy. »Er hat die beste Hoffnung, Sie am Leben zu erhalten.« –-»Nein, Hardy, nein,« entgegnete Nelson, »versucht nicht, mich zu täuschen. Mein Rückgrat ist entzwei.« – Die Pflicht rief Hardy wieder auf das Deck und er ging hinauf, nachdem er dem Verwundeten die Hand gedrückt. Nelson verlangte wieder nach dem Arzte. Dieser war bei dem Leutnant William Rivers, dem eine Kugel das eine Bein weggerissen, beschäftigt. Nichtsdestoweniger kam er herbeigeeilt, nachdem er seinen Gehilfen aufgetragen, den Verband vollends anzulegen. »Ich wollte bloß hören, wie es mit meinem unglücklichen Kameraden stünde,« sagte Nelson. »Was mich betrifft, Doktor, so bedarf ich Ihrer nicht mehr. Gehen Sie, gehen Sie; ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich in dem untern Teile meines Körpers schon alle Empfindung verloren habe und Sie wissen recht wohl, daß man unter solchen Umständen nicht lange mehr leben kann.« Die hier unterstrichenen Worte ließen dem Arzte über Lord Nelsons Absicht keinen Zweifel. Er spielte damit auf einen armen Teufel an, der vor einigen Monaten an Bord des »Victory« eine Wunde unter ähnlichen Umständen wie die Nelsons davongetragen, und er hatte bei diesem Unglücklichen die Annäherung des Todes mit derselben Neugier verfolgt, als ob er erraten hätte, daß derselbe Tod auch seiner harre. Der Arzt sagte hierauf zu Nelson:
»Mylord, gestatten Sie mir, Sie zu betasten.«
Und er begann Nelsons untere Extremitäten zu berühren, welche schon des Gefühls beraubt und gleichsam tot waren.
»O,« hob Nelson wieder an, »ich weiß recht wohl, was ich sage. Scott und Burke haben mich auch schon so berührt und ich habe dieselben ebensowenig gefühlt, als ich Sie fühle. Ich sterbe, Beatty, ich sterbe.«
»Mylord,« entgegnete der Arzt, »allerdings, ich kann nichts mehr für Sie tun.« Und indem er diese letzte entscheidende Erklärung gab, drehte er sich herum, um seine Tränen zu verbergen. »Ich wußte es wohl,« sagte Nelson. »Ich fühle, wie mir etwas in der Brust aufsteigt.« Und er legte die Hand auf den Punkt, den er meinte. »Gott sei Dank,« murmelte er; »ich habe meine Pflicht getan.« Da der Arzt dem Admiral keine Linderung bringen konnte so ging er, um seine Fürsorge anderen Verwundeten zuzuwenden; fast in demselben Augenblicke kam aber der Kapitän Hardy zurück, der, bevor er das Deck zum zweiten Mal verlassen, den Leutnant Hills abgesendet hatte, um den Admiral Collingwood von der betrübenden Neuigkeit in Kenntnis zu setzen. Hardy wünschte Nelson Glück, daß er, obschon bereits in den Armen des Todes, einen vollständigen und entscheidenden Sieg davongetragen, und meldete ihm, daß, soviel er beurteilen könne, fünfzehn französische Schiffe sich in diesem Augenblicke in der Gemalt der englischen Flotte befanden.
»Ich hätte gewettet, es wären zwanzig!« sagte Nelson. Plötzlich erinnerte er sich der Richtung des Windes, und der von ihm beobachteten Symptome des herannahenden Sturmes. »Lassen Sie den Anker werfen, Hardy, lassen Sie den Anker werfen,« sagte er.
–«Ich glaube,« antwortete der Flaggenkapitän, »Admiral Collingwood wird das Kommando der Flotte übernehmen.« – »Nein, wenigstens nicht so lange ich lebe,« sagte der Verwundete, indem er sich auf den Ellbogen emporrichtete.«Hardy, ich sage Ihnen, Sie sollen den Anker werfen! Ich will es!««Ich werde sogleich Befehl dazu erteilen, Mylord.« »Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, so tun Sie es, und zwar binnen fünf Minuten.« – Dann setzte er leise und als ob er sich dieser Schwäche schämte, hinzu: »Hardy, nicht wahr, Sie werden meine Leiche nicht in das Meer werfen?«
– »O, gewiß nicht, Mylord! In dieser Beziehung können Sie unbesorgt sein,« antwortete Hardy schluchzend. – »Sorgen Sie für die arme Lady Hamilton,« sagte Nelson mit immer matter werdendem Tone; »für meine arme Lady Hamilton. Küssen Sie mich, Hardy!« – Der Kapitän küßte ihn weinend auf die Wange.
»Ich sterbe zufrieden,« sagte Nelson. »England ist gerettet.« Der Kapitän Hardy blieb noch einen Augenblick in stummer Betrachtung neben dem sterbenden Helden stehen, kniete dann nieder und küßte ihn auf die Stirn.
»Wer küßt mich?« fragte Nelson, dessen Auge schon von der Nacht des Todes umflort zu werden begann.
Der Kapitän antwortete: »Ich bin es – Hardy.«
»Gott segne Sie, mein Freund,« sagte der Sterbende.
Hardy ging wieder auf das Deck hinauf. Nelson, der den neben ihm stehenden Kaplan erkannte, sagte hierauf zu ihm: »Ach, ehrwürdiger Herr, ein hartnäckiger Sünder bin ich niemals gewesen.« Dann nach einer Pause setzte er hinzu: »Ich bitte Sie, vergessen Sie nicht, daß ich Lady Hamilton und meine Tochter Horatia Nelson meinem Vaterland und meinem König als Erbteil hinterlassen habe. Vergessen Sie niemals Horatia.« Sein Durst ward immer größer. Er rief: »Trinken! –' Trinken! – Den Fächer! – Schafft mir Luft! – Reiben Sie mich!«
Diese letzte Aufforderung war an den Kaplan Mr. Scott gerichtet, der dem Sterbenden dadurch einige Erleichterung verschafft, daß er ihm die Brust mit der Hand rieb. Er sprach jedoch diese Worte mit gebrochener Stimme, welche gesteigerte Schmerzen verriet, so daß er alle seine Kräfte zusammenraffen mußte, um noch ein letztes Mal sagen zu können: »Gott sei Dank, ich habe meine Pflicht getan.« Nun erst hörte Nelson auf zu sprechen. War es Schwäche? War es die letzte Ohnmacht? Wie dem auch sein mochte, so richteten der Kaplan und Mr. Burke mit Hilfe von Kissen ihn auf und erhielten ihn in einer weniger schmerzlichen Position. Sie respektierten diese Todesstille und hörten selbst auf zu sprechen, um nicht den Sterbenden in seinem letzten Augenblicke zu stören. Der Arzt kam zurück. Nelsons Intendant war zu ihm gegangen, um ihm zu sagen, daß sein Herr im Begriff stehe, den Geist aufzugeben. Mr. Beatty ergriff die Hand des Sterbenden; sie war kalt. Er fühlte ihm an den Puls, dieser schlug nicht mehr; dann berührte er ihn an der Stirn. Nelson schlug sein einziges Auge auf und schloß es sofort wieder. Der Arzt verließ ihn, um sich zu andern Verwundeten zu begeben, welchen seine Fürsorge nützlich sein konnte. Kaum aber hatte er sich entfernt, so rief der Intendant ihn zurück und sagte: »Mylord ist tot!« Mr. Beatty eilte sogleich wieder zu ihm. Nelson hatte in der Tat den letzten Seufzer ausgehaucht. Es war vier Uhr zwanzig Minuten. Er hatte sonach von dem Augenblick an, wo er die Wunde empfangen, noch drei Stunden und zweiunddreißig Minuten gelebt. Indem ich Nelson verlor, hatte ich alles verloren.