type | fiction |
booktitle | Ballade am Strom |
author | Roland Betsch |
year | 1939 |
firstpub | 1939 |
publisher | G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung |
address | Berlin |
title | Ballade am Strom |
pages | 651 |
created | 20160906 |
sender | gerd.bouillon@t-online.de |
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14
Abends um fünf Uhr meldete sich in Deidesheim der Kosakenleutnant von Litinow mit drei Mann von der Streife zurück.
Er wurde sofort zum Kommandeur befohlen.
Im Rathaussaal brannten die Kerzen. Auf den Tischen lagen Zeichnungen, Pläne und eine Cassinikarte.
General Karpow saß in einem Sessel und studierte die letzten Dispositionen, die vom Hauptquartier Blücher über das Oberkommando Sacken gekommen waren.
Er war ruhig, aber lauernd. Er trug ein Lächeln im Gesicht. Litinow wußte, daß er keine Gnade zu erwarten hatte.
»Was habt Ihr mir zu melden, Leutnant von Litinow?«
»Der Auftrag ist durchgeführt, Exzellenz. Ich melde, daß die Stadt Kaiserslautern vom Feind bereits verlassen ist. Er hat sich in Richtung Landstuhl–Homburg nach der Saar zurückgezogen. Das ganze Vorgelände ist frei.«
Karpow runzelte die Stirn, seine Stimme klang jetzt bösartig, sie war gesättigt von Haß. Er hämmerte mit beiden Daumen auf der Tischplatte.
»Ich habe Euch doch recht verstanden? Ihr sagt, die Stadt Kaiserslautern ist vom Feind geräumt?!«
»Jawohl, Exzellenz.«
»Eine Frage, Ihr seid Euch doch bewußt, was diese Meldung für 159 die Gesamtdispositionen bedeutet? Wir haben mit dem Korps Yorck zusammen die außerordentlich wichtige Aufgabe, dem General Marmont im Norden über Alzey und hier durch die Senke von Kaiserslautern den Rückzug abzuschneiden?«
»Jawohl, Exzellenz.«
»Dem Vormarsch und der kampflosen Besetzung der genannten Stadt stünde also, wenn Eure Meldung richtig wäre, nichts im Wege? Überlegt Euch, was Ihr antwortet.«
»Nein, Exzellenz, dem Vormarsch steht nichts im Weg.«
»Im andern Falle jedoch, wenn also Kaiserslautern im Gegensatz zu Eurer Meldung noch in Händen des Feindes wäre, könnten wir in eine sehr mißliche Lage kommen, wenn wir auf Grund Eurer Meldung ahnungslos in die Stadt einmarschierten?«
»Davon bin ich überzeugt, Exzellenz.«
»Vortrefflich, daß Ihr das einseht. Ihr meldet mir also, daß die Stadt vom Feind verlassen ist, und daß keine Bedenken bestehen, sie zu besetzen. Überlegt, was von dieser Meldung abhängt.«
»Von dieser Meldung hängt das Gelingen oder Nichtgelingen der Umklammerung ab, Exzellenz.«
»Und das Schicksal einiger russischer Regimenter, Leutnant von Litinow!«
»Auch das, Exzellenz.«
»Ihr meldet also wiederholt, daß die Stadt frei ist?«
»Die Stadt ist vom Feind verlassen.«
Karpow machte sich einige Notizen, erhob sich, kam langsam, schleichend fast, auf den Offizier zu.
»Ihr habt Euch doch mit eigenen Augen davon überzeugt?!«
Litinow schaute den General fest an und schwieg.
»Ich befehle Euch, auf meine Frage zu antworten! Habt Ihr Euch mit eigenen Augen davon überzeugt?«
»Nein, Exzellenz!«
»Nein?! Habe ich recht gehört? Ihr sagtet nein?!«
»Ich habe die Meldung aus unbedingt zuverlässiger Quelle.«
»Aus zuverlässiger Quelle?! Ich mißtraue den zuverlässigen Quellen.«
»Wenn keine zuverlässig ist, dann diese!«
»Ist Euch als Offizier nicht bekannt, daß Ihr Euch persönlich zu überzeugen habt, bevor Ihr eine Meldung überbringt, die von so bedeutsamer Tragweite ist?«
160 Der Offizier schwieg. Er fühlte, wie das Netz sich enger um ihn zusammenzog.
General Karpow sprach mit eisiger Stimme, als er seinen Trumpf ausspielte.
»Soll ich Euch verraten, daß diese Meldung falsch ist! Daß sie meine Regimenter in die größte Gefahr brächte, wenn wir auf ihr weiter operierten?«
Er ging zum Tisch und griff nach einem Zettel.
»Noch keine Stunde ist es her, da traf eine Stafettenmeldung ein, die mir zuverlässiger erscheint, als die Eure. Sie stammt von einem preußischen Offizier des linken Seitendetachements der Avantgarde des Oberleutnant von Stutterheim und besagt, daß die Stadt Kaiserslautern noch von Hauptstreitkräften des Korps Marmont besetzt ist! Was habt Ihr dazu zu sagen, Leutnant von Litinow?«
»Es besteht die Möglichkeit, daß die Meldung falsch ist.«
»Ha ha ha, glänzend gesagt. Ich muß mich wundern, Leutnant von Litinow, wie Ihr hier vor mir steht. Ich kann Euch sagen, daß diese Meldung stimmt! Sie kommt nicht aus Eurer zuverlässigen Quelle. Der Stoß auf das besetzte Kaiserslautern ist bereits befohlen!«
»Dann ist ein Luftstoß befohlen!«
»Ich verbitte mir Eure Kritik! Doch weiter, Leutnant von Litinow. Ihr habt heute Morgen einen Mann erschossen, der in meinem Auftrag handelte?«
»Jawohl, Exzellenz, weil er meinem Befehl sich widersetzte.«
»Ausgezeichnet, vortrefflich! Ihr billigt also, daß, wer sich einem Befehl widersetzt, erschossen wird!«
»Jawohl, Exzellenz, wir leben im Krieg.«
»Weiter, weiter: Ihr habt in Widersetzlichkeit meines Befehls eine Frau in der Verkleidung eines Kosaken von hier entführt?«
»Ich habe sie nicht entführt, sondern in Sicherheit gebracht.«
»So, in Sicherheit gebracht? Das klingt nach Ritterlichkeit. Und warum das?«
»Um Euch und Rußland die Schande zu ersparen!«
Karpow zuckte zusammen, eine Weile schwieg er, seine Mundwinkel zogen sich nach unten, er trommelte mit einem Absatz auf dem Fußboden, unheilvoll wuchs die Bosheit in seinen dunklen Vogelaugen. Er holte mit teuflischem Behagen zum Schlag aus.
»Und Ihr seid in Widersetzlichkeit meines Befehles nicht umgekehrt, sondern mit der Frau weitergeritten?«
161 »Jawohl, Exzellenz.«
»Und Ihr billigt und anerkennt ferner, daß, wer sich einem Befehl widersetzt – – –«
»– – erschossen wird, Exzellenz!«
»Leutnant von Litinow, gebt mir Euren Degen! Ihr steht in einer Stunde vor dem Kriegsgericht.«